Alles fing damit an, dass ich mal wieder auf dem Rückweg von der Uni in der Bahn saß und es ungefähr die Zeit war, zu der die meisten Schulen die ihnen zur Bildung anvertrauten Jugendlichen nach Hause zu schicken pflegen.
An der Haltestelle meiner ehemaligen Schule stiegen dann auch einige ebensolche zu. Unter anderem waren darunter auch eine Gruppe ca 16-17 jähriger junger Männer, die sich gegenseitig ziemlich rüde behandelten und sich gegenseitig unentwegt Beleidigungen an den Kopf worfen. (Fachsprache: Sie haben sich „gedisst“) Dies scheint allerdings in diesen Kreisen unter „Freunden“ nicht unüblich zu sein, da ich dieses Phänomen schon häufig, bei disjunkten Mengen von Personen betrachtet habe.
Da nun jedoch diese Leute ihre Beleidigungen in einer Lautstärke austauschten, die noch aus dem Getöse der vollen Bahn hervorstach hörte ich unweigerlich zu - und stellte fest, dass die jeweiligen Personen nur ganz kurz sprachen und dann wieder den Worten der anderen lauschten. Dies erweckte meine Aufmerksamkeit, da es ja in anderen Kreisen durchaus üblich ist, dass eine Person einen längeren Monolog hält und die anderen solange entspannt zuhören können. Bei diesen Jugendlichen jedoch wechselten die Personen, die das Wort ergriffen als würden sie sich gegenseitig Ping-Pong Bälle zuspielen. Die Schnelligkeit dieses Wechsels kam vor allem daher, dass die gewechselten Sätze eine Länge von 3 oder maximal 4 Wörtern hatten und jeweils prompt beantwortet wurden. Auch gab es nur ca 3 unterschiedliche Satzstukturen.
Als die Gruppe ausgestiegen war lenkte sich meine Aufmerksamkeit auf 2 Schüler, die wohl so in der sechten Klasse sein mussten. Mir fiel sofort auf, dass sie die selbe Form der Kommunikation benutzten - jedoch nicht um Beleidigungen auszutauschen, sondern für informationskommunikative Zwecke. Ich schrieb mir ein paar Sätze auf um sie eventuell später zu analysieren:
Gehst du Fussball?
Was machssu? - Staatsgallerie gehen.
Was machst du GFS?
(GFS = Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen, ein benotes Referat)
Mir kam der Gedanke, dass dies - sinnvoll eingesetzt eine sehr effiziente Art der Kommunikation sein muss:
Folgende Satzbauregeln fielen mir auf:
<Verb> <Subjekt> (<Objekt>|<Adjektiv>)?
Gehst du Stadt?
Bist du blöd?
<Fragewort> <Verb> <Subjekt> [<Objekt>]?
<Subjekt><Verb><Objekt>
→ Ich geh Stadt
<Objekt><Verb> - wenn das Subjekt klar ist
→ Was machssu? - Schlossplatz gehen.
„du“ wird oft mit dem voranstehenden Wort verbunden:
machst du → machssu
Eine persönliche Adressierung wird oft mit dem Wort „Alder“ vollzogen. Hierbei fällt das Subjekt weg, oder das „Alder“ bekräftig die Adressierung:
Was machst du → Alder, was machst?
Bist du dumm? → Bissu dumm, Alder?
Damit komme ich zu den möglichen (sinnvollen) Anwendungsgebieten dieser Form der Kommunikation:
Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass was vielleicht als Erkennungsmerkmal puberierender Jugendlicher begonnen hat durchaus in anderen Bereichen praktischen Nutzen haben kann - sofern alle Teilnehmer diese Art der Kommunikation beherrschen. Jedoch scheint mir das analog zur Stenographie die zwar auch sehr schnell vollzogen werden kann, wobei die Informationen nicht für jeden zugänglich sind.
Für mich jedenfalls ist diese Kommunikationsform ungeeignet - ich brauche eine gewisse Reaktionszeit, bevor ich die Frage verstanden habe und eine relevante Aussage machen kann. Außerdem höre ich gerne zu und erfreue mich dann und wann an kunstvoll gestrickten Sätzen.